Marie ist umgezogen. In eine schöne Wohnung, in der noch viel gemacht werden soll. Sehr viel.
Beruflich hat sie gerade auch einiges um die Ohren und die Übergabe der alten, inzwischen renovierten Wohnung macht ihr Bauchschmerzen.
„Die sind pingelig. Aber WIE!“, sagt Marie . „Kannst du dir nicht vorstellen! Da kam ein Mann von der Hausverwaltung, der hat ein mehrseitiges Protokoll mitgebracht, in dem alles steht, was überprüft wird. Hier, guck selbst! Unsere Kaution ist sonst flöten. Keine Ahnung, wann wir das auch noch machen werden.“
Fenster, Türen, Böden, Fußleisten, Heizungsrohre, Küchenschränke, Kühlschrank, Herd, Heizkörper, Steckdosen, Waschbecken, Abzugshaube, Dusche, Glastüren, Klo, Fliesen, Einbauten, Fensterbänke, Balkon und ich weiß nicht, was noch alles, sind penibel zimmerweise aufgeführt.
Die Wohnung ist gut in Schuss, finde ich. Mal durchwischen, Fenster putzen – aus die Maus. Das macht man ja auch normalerweise. Gut, ein paar Farbspritzer auf den Fliesen. Hm, die großen Fenster… na gut, wer putzt schon noch Fenster, wenn er weiß, dass er bald umziehen will.
„Pass mal auf,“ sage ich generös. „Ich kümmere mich drum, du hast ja wirklich noch genug zu tun.“ (Im Gegensatz zu mir, ich bin ja im Pensionat.)
Nun bin ich allerdings nicht gerade eine begeisterte Hausfrau, deshalb trachte ich nach Hilfe.
Im Netz lese ich mich quer durch die Welt des modernen Putzmanagements:
Da werden in sogenannten ‚Agenturen‘ „kompetente Haushaltshilfen“ angeboten, die „faire Löhne“ erhalten und „betriebshaftpflichtversichert“ und „sozialversicherungspflichtig“ sind.
Das gefällt mir. Ich lese und lese und suche mir eine Agentur heraus, die gute Kundenbeurteilungen hat und mir irgendwie gefällt.
Die Dame am Telefon ist ganz reizend. Ich habe das Gefühl, sie würde am liebsten sofort durchs Kabel kriechen, um mir zur Hand zu gehen. „Sieben Fenster,“ sagt sie, na, da wäre doch das Beste, wenn ZWEI ihrer fabelhaften Kräfte kämen, einer zum Fensterreinigen, der andere für den Rest. Das würden sie immer so machen.
Super. Ich bin sehr zufrieden mit mir.
Der Tag der großen Aktion bricht an. Pünktlich kurz vor 9.00 Uhr schleppe ich sämtlich Putzgeräte und -mittel (das ist nämlich Kundensache) in die leere Wohnung und fange schon mal mit der Einbauküche an. Das macht echt voll Spaß, leere Schränke auszuwischen, nur der Backofen macht mir ein bisschen Sorgen. Ich neble ihn ein und erst um 9.11, als mein Handy klingelt, fällt mir auf, dass ich immer noch alleine bin.
„Frl. Krise? Hier Agentur Wischmopps. Tut mir leid, Frl. Krise, aber..“
Mein Herz bleibt stehen. Im Internet beschwerten sich immer wieder Kunden sämtlicher Agenturen darüber, dass die Reinigungskräfte nicht erschienen seien und das wäre jetzt die Höchststrafe, denn die Wohnungsabnahme ist schon morgen.
„ …Frau Müller, die bei Ihnen arbeiten sollte, musste noch überraschend mit Ihrer Mutter zum Arzt. Ein Notfall. Sie wird etwa in einer halben Stunde bei Ihnen sein!“
Mein Herzschlag setzt wieder ein. Uff – gerade nochmal gut gegangen.
Die Küche zieht sich. Wie viele Schränke das sind! Und so viele Einlegeböden. Der Kühlschrank, der Tiefkühler, der Herd… und wo bleibt eigentlich Frau Müller?
Endlich klingelt es. Frau Müller. Sie kommt schnaufend die Treppe hoch und ist, obwohl erst höchstens Mitte Zwanzig, total aus der Puste und fix und foxi. Na ja, sie wird sich höllisch beeilt haben, denke ich und erkundige mich teilnahmsvoll nach dem werten Befinden ihrer Mutter.
„Was, Mutter?“ fragt sie und sie hieße auch gar nicht Frau Müller, sondern Paula. Sie ist die Vertretung für Frau Müller!
Sie blickt sich in der Wohnung um, seufzt und tut ihre Absicht kund, nur die Fenster zu putzen.
Ich rufe sofort die Agentur an.
Die reizende Dame ist nicht da, aber eine andere, nicht minder nette. Die weiß aber leider nicht Bescheid und so muss ich noch mehrere Male telefonieren, bis Paula endlich eine klare Ansage bekommt.
Alles putzen. ALLES!
Paula hat dazu sichtlich wenig Lust, und ich fürchte, auch nicht das Durchhaltevermögen. Mir schwant nichts Gutes.
Immerhin fängt sie jetzt endlich an.
Sie putzt sehr gründlich und sehr langsam das erste Fenster.
Zwischendurch bimmelt immer mal wieder ihr Handy oder eine SMS muss beantwortet werden, sie raucht mal rasch eine auf dem Balkon, isst eine kleine Stulle, trinkt ein Käffchen, beklagt sich über fehlende Handschuhe und kommt nicht so recht voran.
Ich ackere mich derweil durch die Küche, putze auch gleich das Fenster, die Heizung und den Boden und sehe dann mal wieder nach Paula.
Die telefoniert gerade mit dem Makler ihres Vertrauens. Sie sucht eine neue Wohnung und der Makler ruft im Halbstundentakt an. Sie bittet mich, mit ihm zu sprechen, sie verstehe nicht, was er wolle. Ich versehe es auch nicht, knirsche mit den Zähnen und sage ihm by the way, er störe Paula bei der Arbeit. Nun ist sie beleidigt und ich bin es schuld, wenn sie keine schöne Wohnung findet. Es geht auf zwölf zu, das erste Fenster ist fertig und ich bin auf 180.
In der Agentur geht niemand ans Telefon, die werden schon wissen, warum, denke ich erbittert und verfluche meine blöden Ideen. Wegschicken kann ich Paula auch nicht, morgen muss alles fertig sein und alleine schaffe ich es nicht.
Also verfüge ich mich ins Bad. Klo, Dusche, Badewanne, Waschbecken, Einbauschr… Paula erscheint, um sich frisches Wasser zu holen.
Ihre Stirn ist umwölkt, ihre Laune im Keller. Ja, sie ist schwer sauer, sagt sie und sieht mich feindselig an. In der Küche auf dem Tisch läge ein Zettel, den sie zufällig gelesen habe. Auf dem stünden meine voraussichtlichen Kosten. Das wäre ja die Höhe! SIE bekäme nur 7 Euro die Stunde! Das findet Sie nicht korrekt und ich auch nicht – fairer Lohn ist etwas anderes – aber ich fühle mich momentan schuldlos und die Wohnung MUSS fertig werden. Paula! HEUTE!
Paulas Arbeitsmoral ist nach der niederschmetternden Entdeckung völlig down. Ich hingegen putze dank zahlreicher Adrenalinschübe wie eine Wilde.
Nach vier Stunden hat Paula zweieinhalb Fenster gesäubert. Ich bin mit dem Bad fertig, inklusive Fenster, und habe bereits angefangen die Räume zu wischen.
Paula ist schwer angeschlagen, sie kann einfach nicht mehr. Immer diese Leiter rauf und runter…
ES REICHT! Ich bin kurz vorm Platzen. Wohnung hin, Sauberkeit her. Ich ‚kündige‘ ihr kurzerhand.
Paule scheint nicht übertrieben traurig. Sie kramt in …